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Ehemalige Zeche König Ludwig: Teilabschnitt der Zechenmauer an der Suderwichstraße mit Blendarkaden sowie abwechselnd mit roten und gelben Klinkern

Ehemalige Zeche König Ludwig, Recklinghausen – Einfriedung der Schachtanlage 4/5

Denkmal des Monats
August 2024

Bergbau und mehr in Recklinghausen

Die Ruhrfestspiele Recklinghausen sind eines der renommiertesten Theaterfestivals Europas, aber weshalb stehen sie im Zusammenhang mit dem Bergbau? Als im Winter 1946/1947 die Theater der Stadt Hamburg aufgrund fehlender Heizkohle kurz vor der Schließung standen, reisten der Verwaltungs­direktor und einige Angestellte ins Ruhrgebiet, um bei den Kohlezechen Hilfe zu erbitten. Auf der Schachtanlage König Ludwig 4/5 wurden ihre LKW unter Umgehung der Kontrolle durch die Besatzungsmächte wiederholt mit Kohle beladen. Zum Dank gastierten im Sommer 1947 zahlreiche Schauspieler der drei Hamburger Bühnen in Recklinghausen. Dieser „Tausch Kunst gegen Kohle“ gilt als Wiege der Ruhrfestspiele. Doch obwohl in Recklinghausen etwa seit den 1860er-Jahren Bergbau betrieben wurde, haben sich von den zahlreichen Steinkohlenzechen nur wenige Zeugnisse erhalten. Eines von ihnen ist die außergewöhnliche Zechenmauer der ehemaligen Zeche König Ludwig.

Blick auf die repräsentative, teils bereits ausgebesserte Mauer entlang der Suderwichstraße, Richtung Katharinenstraße

Entstehung und Gestaltung der Zechenmauer

Auf einer Länge von etwa 1,8 Kilometern grenzt die repräsentative Backsteinmauer das ehemalige Betriebsgelände bis heute erkennbar ab, wenngleich die kurze Westseite nicht mehr vorhanden ist. Die Einfriedung entstand im Zuge der sonstigen Tagesbauten und ist spätestens für das Jahr 1928 in großen Teilen belegt. Ihre Gestaltung zeigt sich durch die einheitliche Farb- und Materialwahl harmonisch, zugleich aber auch sehr vielgestaltig – bis zu drei Meter hoch, teils gestaffelt, mit Blendarkaden, die Segmentbögen abwechselnd mit roten und gelben Klinkern gemauert, mit schmalen Lisenen und Zierfriesen gegliedert. Mehrere Rücksprünge schaffen kleine Platzsituationen, die auf historische Einfahrten, beispielsweise zur zecheneigenen Kokerei, verweisen.

Die Pfeiler tragen teils dekorative Halbkugeln als Abschluss.

Besonders hervorzuheben ist die mit drei Türmchen bekrönte Fußgängerpforte an der Ecke Suderwich- und Katharinenstraße.

Bedeutung der Zechenmauer

Die Entwicklung der Stadt Recklinghausen und ihres 1926 eingemeindeten Ortsteils Suderwich war eng mit der Bergbautätigkeit verknüpft. Mit der Abteufung der Schachtanlage 4/5 erreichte sie zur Jahrhundertwende auch den Suderwicher Raum, wo sich ein tiefgreifender Strukturwandel vom bäuerlich geprägten Dorf zum Industrieort vollzog. Hiervon zeugt die Zechenmauer ebenso wie von der Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Durch ihre nahezu vollständige Erhaltung dokumentiert sie das einst 30 Hektar große Betriebsgelände sowie dessen obligatorische Abgrenzung gegenüber dem öffentlichen Raum. Mit ihrer aufwendigen, zeittypisch sorgfältigen Gestaltung und Materialität steht die Zechenmauer zudem nicht nur für das funktionale Bestreben, das Betriebsgelände zu sichern, sondern vielmehr für einen ganz eigenen Repräsentationsanspruch der Bergbauunternehmer. Vergleichbare Anlagen sind in einer solch qualitätsvollen Ausführung und Vollständigkeit nicht bekannt.

Nicht zuletzt dokumentiert die städtebaulich wirksame Einfriedung gemeinsam mit den angrenzenden Bergarbeitersiedlungen den Zusammenhang zwischen Arbeiten und Wohnen, der die Bergleute an die Zeche band, den Betreibern aber auch eine gewisse Kontrolle ermöglichte. Die Zechenmauer ist damit für die Menschen vor Ort ein wichtiges Zeugnis für die Arbeits- und Produktionsverhältnisse zur Zeit des Steinkohlebergbaus. Für ihre Erhaltung bestehen wissenschaftliche, vor allem orts-, betriebs- und architekturgeschichtliche, aber auch städtebaulichen Gründe.

Vermutlich noch ursprünglicherer Mauerabschnitt entlang der Henrichenburger Straße

Vermutlich noch ursprünglicherer Mauerabschnitt entlang der Henrichenburger Straße

Autorin

Eva-Elisabeth Schulte
Technische Kulturdenkmäler

eva.schulte@lwl.org

Tel: 0251 591-4082

Porträt