Typische Architektur der 1960er-Jahre: Die Friedhofskapelle in Bad Holzhausen
Denkmal des Monats November 2018
Seit dem frühen Mittelalter bestatteten die Menschen ihre Toten auf den Kirchhöfen unmittelbar bei den Kirchen. Dies änderte sich 1804, als Napoleon bestimmte, dass neue Begräbnisplätze außerhalb von Städten und Ortschaften anzulegen seien. Schon das allgemeine preußische Landrecht von 1792 hatte die Neuanlage von Friedhöfen innerhalb der Städte und Dörfer verboten und der Präfekt der königlich-preußischen Regierung untersagte im Jahre 1808 jegliche Bestattung auf den Kirchhöfen. Umgesetzt wurde diese Anordnung nur zögerlich. Friedhofskapellen oder Aussegnungshallen waren eher auf städtischen Friedhöfen anzutreffen, während auf dem Land die Toten in den Häusern aufgebahrt wurden und Trauerfeiern nach wie vor in den nahe gelegenen Kirchen stattfanden. Durch den Zuzug von Flüchtlingen nach 1945 ergab sich ein Bevölkerungszuwachs und es entstanden Neubaugebiete mit Einfamilienhäusern. Die neuen Siedlungshäuser boten jedoch keine räumlichen Möglichkeiten der sogenannten Hausbeerdigung. Um 1960 setzten daher in sehr vielen Gemeinden Überlegungen zur Errichtung von Friedhofskapellen ein.
Entstehung der Friedhofskapelle
In Holzhausen war der neue Friedhof nordwestlich des Dorfes im Jahre 1859 – wie das Portal aus Sandsteinpfeilern bezeugt – angelegt und später nach Westen erweitert worden. Seit 1958 gab es in Holzhausen Überlegungen zum Bau einer Aussegnungskapelle. Von 1962 bis 1964 entstand eine Anlage aus Friedhofskapelle, Verbindungsgang und Nebengebäude, die einen Vorplatz umfasst. Den Entwurf fertigte auf Vorschlag des damaligen Pfarrers Berthold Vogell der Hamburger Architekt Gerhard Langmaack (1898–1986). Langmaack war seit 1922 freiberuflich tätig und wurde einer der bedeutendsten Architekten im evangelischen Kirchenbau. Nach seinen Planungen waren bereits verschiedene evangelische Kirchenbauten in der Region errichtet worden (z. B. Johanneskirche in Bielefeld, Thomaskirche in Espelkamp).
Belebt wirkenden Dreidimensionalität
Die eigentliche Eingangswand mit einem zweiflügeligen Mittelportal liegt hinter dieser Vorhalle zurück. Das mit Betonpfannen gedeckte Satteldach ist einhüftig ausgebildet, d. h. nach Süden, hofseitig, weiter herunter geführt als nach Norden, zum Friedhof hin. Diese Außenfassade ist stark strukturiert durch acht haushohe, quer stehende Betonpfeiler mit zwischenliegenden, verglasten Flächen. Die hofseitige Fassade ist ebenfalls durch acht hier niedrigere Stützen gegliedert, wobei in den Wandkompartimenten dazwischen schmalere, hochrechteckige Fenstertüren liegen, das Feld neben der Vorhalle ist vollständig geschlossen. Ebenso geschlossen ist die rückwärtige Giebelwand des Gebäudes. Der Innenraum eröffnet durch die hohe Fensterfront den Blick in die Natur, zum Friedhof hin. Die mit einer Holzschalung verkleidete Decke bildet die gerundete Form der zweidimensionalen Außenschalung in einer belebt wirkenden Dreidimensionalität nach und prägt diesen Raum.
Schwungvoller Bogen charakterisiert auch das Innere
Die als verputzter Stahlbetonbau errichtete Kapelle beschreibt die Form eines Satteldachhauses. Sie weist mit ihrer nördlichen, vollflächig verglasten Traufseite zum Friedhof, während an die südliche im rechten Winkel ein Verbindungsgang zum Nebengebäude angrenzt. Die östliche Giebelseite ist als Hauptfassade im unteren Bereich durch sechs verputzte Betonstützen gegliedert, während die Wandfläche oberhalb eine Schalung aus senkrechten Holzlatten aufweist. Deren untere Begrenzung bildet ein weiter Segmentbogen, der von der zweiten Vorhallenstütze ausgeht und an der Traufkante der Nordwand endet. Dieser schwungvolle Bogen charakterisiert auch das Innere. Unterhalb des Bogenscheitels sind auf der Putzfläche drei geschmiedete Kreuze angebracht.
Die Westwand
Die Westwand wird mittig durch eine raumhohe konvexe Wandvorlage geteilt. Rechts davon, zum Friedhof hin, befindet sich etwa auf der halben Raumhöhe ein plastisches griechisches Kreuz aus Holz mit Blattgold-Auflage. Es wird bekrönt von einem Stern, der aus einem kleineren griechischen Kreuz gebildet ist, das mit einem Andreaskreuz kombiniert wurde. Vor der gegenüberliegenden Wand, über dem Portal, befindet sich eine Musikerempore mit Orgel auf filigranen Rundstützen mit Stahlrahmengeländer und quadratischen Brüstungsplatten. Das Lesepult und die rechts und links des Mittelganges angeordneten jeweils acht Bänke stammen aus der Erbauungszeit der Kapelle.
Spätes Werk von Gerhard Langmaacks
Die Friedhofskapelle in Bad Holzhausen ist als traditioneller Satteldach-Haus-Typ ein typischer Kapellenbau der 1960er-Jahre und auch die Hofbildung ist für diese Entstehungszeit ein charakteristisches Merkmal. Die Kapelle stellt sich in ihrer Formgebung und ihrer Materialität als sehr gut bauzeitlich überliefert dar und belegt die architektonische Entwicklung des Friedhofskapellenbaues der Zeit nach 1945, deren wissenschaftliche Bearbeitung noch aussteht. Dennoch ist festzustellen, dass die anspruchsvolle Architektur einhergeht mit der zeitgenössischen Kirchenbauentwickung, deren Inventarisierung vorliegt.
Im Oeuvre Gerhard Langmaacks gibt es nach unserem derzeitigen Kenntnisstand nur noch die deutlich ältere Kapelle im niedersächsischen Bad Bevensen von 1949. Die Architektursprache, insbesondere die gerundete Dachuntersicht des Saales in Korrespondenz zur Hauptschauseite, die dem Bauwerk eine gewisse Dynamik verleiht, ist charakteristisch für Gerhard Langmaacks späte Werke (wie die 1963 fertig gestellte Thomas-Kirche in Espelkamp). Zusammen mit dem seitlichen Lichteinfall sollten die gerundeten Formen einerseits den kontemplativen Blick des trauernden Menschen aufnehmen und andererseits das Gemeinschaftsgefühl der Trauergemeinde fördern.
Da die Friedhofskapelle in Bad Holzhausen für die Nachkriegsarchitektur Westfalen-Lippes im Allgemeinen und für den Kapellenbau im Besonderen eine bedeutsame Vertreterin ist, hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe sie als Denkmal des Monats November ausgewählt.