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Köhlerhaus und Jagdhütte im Balver Wald

Köhlerhaus und Jagdhütte im Balver Wald

Denkmal des Monats
Januar 2024

Wie der Wald sich wandelte

Ein Relikt preußischer Wirtschaftsförderung im Grenzland zwischen der Grafschaft Mark und dem Herzogtum Westfalen wurde kürzlich entdeckt. Tief versteckt im Balver Wald liegt ein Köhlerhaus, das 1906 von einem Fabrikbesitzer zur Jagdhütte umgebaut wurde. Es zeigt anschaulich, wie der Wald sich von einer Wirtschaftsressource zum „Freizeitrevier“ wandelte.

Holz, der Energieträger der vorindustriellen Produktion

Malerisch fügt sich am Rande einer Lichtung das schwarz-weiße Fachwerkhaus mit seinen grünen Schlagläden in die Landschaft ein. Gebaut wurde es zwischen 1829 und 1834 für Waldbauern und Köhler, die die Bäume des Waldes zu Holz und Holzkohle verwerteten. Bis in diese Zeit lebten die Köhler in prekären Arbeitsverhältnissen und zogen von Meiler zu Meiler. Dies änderte sich im 19. Jahrhundert. Um sich gegen die um Arbeiter konkurrierende Industrie zu behaupten, mussten bessere Arbeitsbedingungen für die harte Waldarbeit geschaffen werden. Errichten ließ das Haus wohl der Iserlohner Unternehmer Caspar Dietrich Brune, der das Holz und die Holzkohle für seine Glasfabrikation im nahegelegenen Stephanopel benötigte.

Stephanopel, ein Wirtschaftsstandort

Mit dem Namen Stephanopel verbinden die meisten sicher keinen Ort in den sauerländischen Bergen. Doch der heutige Ortsteil vom Hemer war einmal ein begehrter Wirtschaftsstandort. Daran erinnert nicht viel mehr als ein Relief und der Ortsname. Das Relief befindet sich an einem ehemaligen Fabrikantenhaus. Unter der Aufschrift „Zum Vorgebirge der Guten Hoffnung“ Ist ein Schiff dargestellt, das eine gebirgige Küste umsegelt. Und der Name Stephanopel? Die auf dem Balkan vorkommende Stadtbezeichnung „-pol“ wurde mit dem Vornamen von Stephan Lürmann kombiniert, der den Grundstein zur hiesigen Garnbleiche der Gebrüder Lürmann und Romberg legte. Das investierte Vermögen war auch durch Handelsbeziehungen mit dem Balkan verdient worden.

Das Köhlerhaus

Das sieben Gefache lange Haus steht auf einem Bruchsteinsockel und schließt mit einem hohen Satteldach ab. Es ist teilweise unterkellert und hat im Zentrum eine haushohe Küche, um die vier Kammern angeordnet sind. Der Lagerraum auf dem Dach war über eine Luke im Giebel erschlossen. Ein kleiner Stall und der Abort befanden sich unmittelbar neben dem Haus. Garten und Acker dienten wie das Vieh im Stall dem Eigenbedarf; den Lebensunterhalt verdiente der Köhler mit der Waldbewirtschaftung. Allerdings wurde mit dem Aufkommen der Steinkohle die Köhlerei unwirtschaftlich und so verlor auch das abgelegene Stephanopel seine Attraktivität als Wirtschaftsstandort.

Der Wald wird zum Revier, das Köhlerhaus zur Jagdhütte

1906 erwarb der Sundwiger Fabrikant Peter Grah das Haus und baute es zur Jagdhütte um. Er legte zwei Kammern zu einer gemütlichen Stube zusammen, stellte einen schönen Kachelofen auf, richtete in den anderen Kammern Schlafplätze ein und erschloss den Dachraum von innen über eine Treppe, um dort eine Räucherkammer einzurichten. Im Sauerland war die Jagd in wirtschaftlich erfolgreichen Kreisen hoch angesehen. Eine Jagdhütte diente zum Rückzug aus der täglichen Umgebung, ermöglichte aber auch Treffen von Geschäftspartnern oder Vereinsfreunden ohne die steifen gesellschaftlichen Konventionen der späten Kaiserzeit beachten zu müssen.

Jagdstube

Ein wiederentdecktes Kleinod

Ein Wasserhahn, eine Feuerstelle, kein Strom – in dem Fachwerkhaus ist die Zeit seit 1906 stehengeblieben. Es ist ein besonderes Glück, dass die Eigentümer das Erbe ihres Urgroßvaters angenommen, gepflegt und ohne wirtschaftliche Absichten erhalten haben. So ist ein besonderes Zeugnis über die Lebensverhältnisse der Köhler in der Mitte des 19. Jahrhunderts, aber auch eine der frühen Jagdhütten erhalten geblieben.

Autor

Dr. David Gropp
Ehemaliger Mitarbeiter Inventarisation