Eine Architekturikone im Bochumer Süden: Das Terrassenwohnhaus Girondelle (1967–71)
Denkmal des Monats November 2020
Das Terrassenhaus Girondelle ist in der Fachwelt als spektakuläres Wohnbauexperiment der Boomjahre bekannt. Dennoch fristete das Objekt lange ein Schattendasein und litt unter Vernachlässigung. Mit der Eintragung in die Denkmalliste ist der Bestand nun gesichert. Mehr noch: Eine neue Eigentümerin will der Architekturikone nach und nach wieder zu altem Glanz verhelfen – Grund genug, das Objekt als Denkmal des Monats auszuzeichnen.
Ruhruniversität und Terrassenwohnhaus
Der Wohnbau ist mit der Gründung der Bochumer Ruhruniversität verknüpft, für die ab 1964 am südlichen Stadtrand ein großer Komplex entstand. Eine neue „Universitätswohnstadt“ zwischen Stadt und Hochschule sollte den Wohnraumbedarf decken. Umgesetzt wurde die Wohnstadt seit 1965 in Form von drei, durch Grünstreifen getrennten Wohngebieten mit eigenen Infrastruktureinrichtungen. Als zweiter Bauabschnitt entstand ab 1966 das Wohngebiet, in dessen Zentrum sich die Girondelle befindet. Mit der Planung beauftragte die Bauherrin, die Vereinigte Baugesellschaft Bochum-Langendreer, den Nürnberger Architekten Albin Hennig (geboren 1931). Hennig hatte als Partner von Franz Reichel eine Auszeichnung im Ideenwettbewerb für die Universität erhalten und war durch Planungen für Nürnberg-Langwasser mit teils neuartigen Wohnbauten hervorgetreten. Für Bochum entwickelte Hennig einen prägnanten Terrassenbau.
Neubau der Ruhruniversität im ländlich geprägten Stadtteil Querenburg. Das Terrassenwohnhaus entstand als Teil der zugehörigen Universitätswohnstadt. Foto: Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt.
Großwohnanlage und Bauskulptur
Beim Bochumer Terrassenhaus handelt es sich um einen ca. 200 m langen, auf drei Seiten gestaffelten Baukörper mit einer Höhe von acht Geschossen im Zentrum und einem Geschoss in den Ausläufern. Die unregelmäßigen Vor- und Rücksprünge sorgen für eine bewegte Silhouette, die durch die Lage auf einem Höhenrücken betont wird. Die Rücksprünge geben Fläche für gut belichtete Terrassen frei, teils mit Blick auf die Bochumer Innenstadt. Die unregelmäßige Struktur des Gebäudes ermöglicht im Sinne der angestrebten sozialen Durchmischung vielfältige Grundrisslösungen verschiedenster Größe.
Konstruktiv handelt es sich bei dem Terrassenhaus um einen Stahlbeton-Schottenbau mit einer weißen Plattenverkleidung in den oberen Geschossen und Sichtbetonoberflächen im Hochparterre sowie den als Gliederungselementen eingesetzten Treppentürmen. Im bewussten Kontrast dazu stehen die ockerfarbenen Fensterrahmen mit azurblauen Füllungen. Durch das Raster der Platten sowie die für Balkonbrüstungen und Pflanztröge verwendeten Fertigteile lehnt sich der Bau an die in dieser Zeit beliebte Fertigteilästhetik an.
Systematische Aufnahme von Bauteilen als Leitlinie für die denkmalgerechte Instandsetzung im Gestaltungshandbuch, 2019. Bild: Peach Property Group, bearbeitet von Beilmann Architekten, Bochum.
Titelmotiv
Bis heute immer wieder publiziert: das Terrassenhaus Girondelle als Titelmotiv einer Broschüre zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 (Projekt „Big Beautiful Buildings. Als die Zukunft gebaut wurde“). Foto: StadtBauKultur NRW 2018.