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Hl. Maria Magdalena aus dem Altarretabel der ehemaligen Schlosskapelle Datteln-Horneburg: Ein Leinwandgemälde ohne Keilrahmen

Denkmal des Monats März 2021

Eine kunsttechnologische Besonderheit stellt das im Altarretabel der ehemaligen Schlosskapelle in Datteln-Horneburg entdeckte Gemälde der Heiligen Maria Magdalena dar: Es besitzt keinen eigenständigen Keilrahmen. Anlässlich einer erfolgreich abgeschlossenen Konservierung kürt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe das ungewöhnliche Gemälde zum Denkmal des Monats März. Als Studienobjekt hatte die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen die Leinwand an den Studiengang Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden vermittelt. Dort wurde sie im Rahmen einer Diplomarbeit und in der Fachklasse von Studierenden untersucht und bearbeitet.

Heilige Maria Magdalena als Büßerin

Die Ölmalerei entstand von Hand eines unbekannten Künstlers zeitgleich mit dem Altarretabel kurz vor 1717 und zeigt in einem ovalen Bildausschnitt (89 x 63 cm) die Heilige Maria Magdalena als Büßerin. Die in ein Gewand gekleidete Heilige betet ein Kruzifix an, vor ihr liegen ein aufgeschlagenes Buch sowie ihre Attribute: ein Salbgefäß und eine Geißel. 

 

Hl. Maria Magdalena nach der Restaurierung. Foto: HfBK-Dresden/Riße

Kunsttechnologische Besonderheit

Bemerkenswert ist das Fehlen eines eigenständigen Holzrahmens zur Aufspannung des eckig zugeschnittenen textilen Bildträgers. Korrespondierende Nagelungsspuren im Bildträger und auf dem Retabel, sowie das Fehlen der typischen Falten und Knicke im Gewebe belegen die ursprüngliche Montage des Gemäldes direkt auf der Retabelrückseite. Dieser ungewöhnliche Verzicht ist durch banalen „Platzmangel“ zu begründen. Auf der Rückseite reicht eine aus Brettern und Bohlen bestehende Stützkonstruktion unsymmetrisch nah fast bis an den Rand der für das Gemälde vorgesehenen Öffnung heran. Der Platz für einen Falz fehlt. In Westfalen sind bislang keine weiteren Beispiele solcher Montagen bekannt.

 

Foto: Detail der Ecke unten links vor der Restaurierung. Nagelungslöcher der ursprünglichen Fixierung an der Retabelrückseite folgen dem Bildträgerrand und dem ovalen Bildformat, Falten und Knicke fehlen. Foto: LWL/Dick

Durchgeführte Maßnahmen

Vor der Restaurierung präsentierte sich das Gemälde in einem ästhetisch höchst unbefriedigenden Zustand. Der textile Bildträger war deformiert und versteift, wies zwei größere Rissbereiche und viele ausgerissene Löcher entlang der Ränder auf, darüber hinaus noch vier ältere Rückseitenanstriche. Die Bildoberfläche war stumpf, verschmutzt und bis zur Unkenntlichkeit verdunkelt.

In Abstimmung mit der Restauratorin der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen erfolgte eine aufwändige Konservierung des Bildträgers. Die Hartfaserplatte und alle Rückseitenanstriche wurden entfernt, die Risse verklebt, die Fehlstellen durch Intarsien ergänzt, die alten Nagelungslöcher durch Flicken stabilisiert und die Deformationen planiert. Bildseitig folgte eine Oberflächenreinigung und Konsolidierung der Bildschicht sowie Kittung und Retusche der Bildschichtfehlstellen. Von einer Abnahme der Übermalung sahen die Restauratorinnen ab, da mit flächigen Schäden in der Originalmalerei gerechnet werden musste. So erhielt das Gemälde lediglich integrierende Retuschen im Himmel sowie einen den Oberflächenglanz ausgleichenden neuen Firnisauftrag.

Hl. Maria Magdalena, Röntgenaufnahme der Gesamtansicht mit Abweichungen der ursprünglichen Malerei in der Handhaltung der Heiligen sowie im Faltenwurf des Gewandes. Dunkel markieren sich die Rissbereiche und die Fehlstellen in der Malerei und in den Rückseitenanstrichen. Foto: HfBK-Dresden/Riße

Ausblick

Für den dauerhaften Erhalt des restaurierten Leinwandgemäldes war seine Aufspannung auf eine vom Altarretabel trennbare Stützkonstruktion unerlässlich. Der Diplomandin gelang die Entwicklung einer innovativen Sandwich-Konstruktion aus zwei Light-Wood-Tischlerplatten, zwischen welchen das Gemälde in einer Ebene mit Magneten aufgespannt wird.

Nach der Beendigung der umfangreichen Maßnahmen präsentiert sich das Gemälde der Hl. Maria Magdalena in einem gepflegten, historisch gewachsenen Zustand. Bildprägend ist nach wie vor die Übermalung der 1880er-Jahre, die nun kontrastreicher und brillianter erscheint. Die innovative Stützkonstruktion bietet dem Gemälde den notwendigen Halt und einen adäquaten Rückseitenschutz, sie ermöglicht sein sicheres Handling und bewahrt gleichermaßen die Authentizität einer ursprünglich direkt auf das Altarretabel montierten Leinwandmalerei.

Autorin

Helena Dick
Restaurierung

helena.dick@lwl.org

Tel: 0251 591-6793

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