Ein Leuchten über der Stadt: Anmerkungen zur gläsernen Kapelle von Joachim Poensgen auf dem Finkenhagen in Olpe
Denkmal des Monats Februar 2018
Ende Januar 2018 wurde die Kapelle St. Josef auf dem Finkenhagen in Olpe in die Denkmalliste der Stadt eingetragen. Der flachgedeckte Glaskubus, dessen raumhohe, umlaufende Kunstverglasung nur von den filigranen, kaum sichtbaren Streben einer zurückhaltenden Stahlbetonskelettkonstruktion gehalten wird, war 1980–1986 als ein bedeutender diaphaner Sakralbau der Nachkriegszeit von dem renommierten Düsseldorfer Glaskünstler Jochem Poensgen entworfen und realisiert worden.
Allseitige Auflösung der Architektur
Bereits in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre gab es Sakralbauten, deren Wände in Tragwerk und Glasfüllung aufgelöst waren und auf z. T. sehr unterschiedliche Weise an diaphane Glas-Licht-Architekturen im Kirchenbau der Zwischenkriegszeit anknüpften. Die Auseinandersetzung mit der Lichtwirkung von Glas führte u. a. zu entmaterialisierten Innenräumen mit durchscheinenden Wänden, wobei insbesondere Egon Eiermann, Helmut Striffler und Rudolf Schwarz durch Verwendung diaphaner, meist farbig verglaster Ummantelungen z. B. aus Betonwabensteinen eine diffuse, entmaterialisierende Lichtführungen von Kirchenräumen auf bedeutende Weise thematisierten. Danach wurde eine konsequente, allseitige Auflösung der Architektur in diaphane Wände immer seltener realisiert. Zu den wenigen westfälischen Beispielen gehört die Kapelle St. Josef in Olpe-Biggesee. Dieser fast vollständig aus Glaselementen bestehende Kapellenbau wurde in erster Linie als Innenraum konzipiert, der durch die durchscheinenden, farbigen Wände eine transzendente, d. h. über sich selbst hinausweisende Raumwirkung entfaltet. Wie alle diaphanen Kirchen besitzt der Kapellenraum zudem eine durchdachte Außenwirkung, da er in der Dämmerung wie ein farbiges Reliquiar leuchtet.
Innenansicht der Deele. Foto: Torsten Schmidt 2017.
Neue Vorstellung von Glaskunst
Bei diesen leuchtenden Wänden handelt es sich zum einen um diaphane Betonglasarbeiten, die aus einer Synthese von durchscheinenden und opaken Elementen bestehen. Zum anderen entwickelte Poensgen Kirchenräume mit großflächigen Glaswänden, in die er Wandscheiben oder andere Architekturelemente einstellte. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Glaskunst, die gleichwertig neben die traditionelle Wand als Raumbegrenzung tritt und durch Lichteinfall, Farbe und Darstellung das Kircheninnere inszeniert. Der allgemeinen Tendenz zur Abkehr tradierter Tektonik folgend ersetzten seine Glasflächen im Verlauf der 1960er-Jahre mehr und mehr ganze Mauerzüge und bildeten ab Ende des Jahrzehnts erste vollständig gläserne Raumgrenzen. Sind bei diesen Bauten die architektonischen Elemente noch präsent, so reduzierte er Anfang der 1980er-Jahre die Konstruktion der Kapelle St. Josef auf eine rein dienende Funktion und realisierte zugleich seine neue Vorstellung von Glaskunst, indem er geschmeidige und stellenweise kräftig gefärbte Formströme als große Gesten den Kapellenraum umfließen ließ.
Autorin
Dr. Marion Niemeyer
Ehemalige Mitarbeiterin Inventarisierung