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Das "Schmalen Haus" in Schmallenberg

Bauforschung im „Schmalen Haus“

Denkmal des Monats
November 2024

Das Sauerland hat viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Eine auch bauhistorisch sehr interessante befindet sich in der Stadt Schmallenberg, direkt neben dem Rathaus: Das „Schmalen Haus“ wurde kürzlich vom Sachbereich Bauforschung des LWL-Denkmalfachamts untersucht.

Ausgangslage

Anlass für die Arbeiten war ein geplanter Umbau des Gebäudes. Hierfür sollte im Rahmen einer Voruntersuchung die Baugeschichte geklärt werden, damit diese bei den Planungen berücksichtigt werden kann. Wenig war bis dahin über das seit den 1980er-Jahren als Stadtarchiv genutzte Haus bekannt: Die lokale Bezeichnung „Schmalen Haus“ bezieht sich auf den im 19. Jahrhundert bezeugten Bewohner namens Balzer, genannt Schmale. Die Lokalisierung des Hauses am Hang und seine äußerst dicke Südmauer im unteren Geschoss gaben ferner Anlass zu der Vermutung, dass ein Teil der alten Stadtmauer Schmallenbergs hier beim Bau wiederverwendet wurde. Unbekannt war vor allem, ob das Haus bereits vor dem großen Stadtbrand 1822 errichtet wurde und ob es spätere Umbauten gab.

Baubeschreibung

Das Schmalen Haus verfügt über einen längsrechteckigen Grundriss, der im Westen polygonal endet, fast wie der Chor einer Kirche. Zwei Fachwerkgeschosse erheben sich über einem nur von außen zugänglichen, steinernen Keller, der mit seinen zwei Bereichen das Gebäude nur in Teilen unterfängt. Der große Dachraum ist nicht ausgebaut und verfügt zur Rathausseite hin über ein großes Zwerchhaus. Teilweise sind die Hölzer im Dach stark verrußt.

Dachraum mit deutliche sichtbarer Verrußung der Hölzer

Bauhistorische Voruntersuchung

Bereits die äußere Inaugenscheinnahme der nördlichen Trauffassade brachte verschiedene Auffälligkeiten zum Vorschein. Festgehalten wurden diese in einem fotogrammetrisch erstellten Orthofoto, einem perspektivisch entzerrten Foto analog zu einem Architekturplan. So zeigte sich im Fachwerkgefüge eine Dreiteilung in einen östlichen, einen mittleren und einen westlichen Teil. Gestützt wird dieser Befund durch Abbundzeichen, also die Markierungen der Zimmerleute zum korrekten Zusammenfügen der einzelnen Hölzer. Im mittleren und östlichen Teil kamen unterschiedliche Abbundzeichensysteme zum Einsatz, im westlichen Teil fehlen sie ganz. Auch das Innere des Gebäudes spricht für die These einer Dreiteilung.

Im Keller ist nur der Teil unter dem Mittelbau als Gewölbekeller aus historischem Bruchsteinmauerwerk errichtet, der östliche Teil ist neueren Datums. Im Dach zeigten sich an den vermuteten Stellen Unterbrechungen der Holzkonstruktion. Hier wurde das Dach des mittleren Gebäudeteils sowohl nach Osten als auch nach Westen erweitert. In den beiden Hauptgeschossen stellte sich die Lage etwas schwieriger dar, da hier das Fachwerk nahezu vollständig verkleidet ist. Aufgrund der Nutzung konnten hier noch keine Sondagen an den in Frage kommenden Stellen gelegt werden. Ein eindeutiger Hinweis fand sich dann aber doch: Genau an der Nahtstelle vom Mittelbau zur westlichen Erweiterung zeigt sich in beiden Geschossen kurz unterhalb der Decke jeweils ein nach Westen gerichtetes Inschriftenband. An dieser Stelle ergibt dies nur dann Sinn, wenn es ursprünglich von außen sichtbar war, wenn also die westliche Erweiterung erst später angebaut wurde.

Inschriftenbänder im Erdgeschoss (großes Foto) und Obergeschoss (kleines Foto)

Inschriftenbänder in beiden Geschossen

Inschriftenbänder im Erdgeschoss (großes Foto) und Obergeschoss (kleines Foto) am Übergang vom Kernbau zur östlichen Erweiterung. Das kurze Inschriftfragment im Obergeschoss („FRANS“) weist wohl auf den Erbauer Franz Balzer, genannt Schmale hin, die Inschrift im Erdgeschoss lautet „DER x B[AU] HER x BIST [x] ONNE[sic!] DICH [x] DIE ARBE[IT x] VERGEB[LI]CH x IST“.

Dendrochronologie

Nach Klärung dieser relativen Chronologie der Bauphasen ist es Ziel der Bauforschung, auch eine absolute Chronologie zu erstellen, die die einzelnen Bauphasen naturwissenschaftlich verifiziert auf eindeutige Jahreszahlen eingrenzt. Dies geschieht mit Hilfe der Dendrochronologie, der Holzdatierung anhand der Untersuchung der Jahrringweiten. Ein im Keller eingebautes Kernholz konnte auf die Zeit um 1570 datiert werden, eine jahrgenaue Datierung war hier nicht möglich. Untersuchungen der Dachhölzer hingegen ergaben für den Mittelbau als Fäll- und damit Baudatum das Jahr 1804, wobei in Teilen Hölzer – vermutlich eines Vorgängerbaus – ebenfalls des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts wiederverwendet wurden. Die Erweiterung nach Osten erfolgte 1831. Die westliche Erweiterung entzog sich einer genaueren Datierung.

Ergebnis und Ausblick

Somit konnte nachgewiesen werden, dass das Schmalen Haus eines der wenigen Häuser Schmallenbergs ist, das im Kern noch vor dem verheerenden Stadtbrand 1822 errichtet wurde. Die Rußspuren und die Störungen in der Fassade lassen aber vermuten, dass es zumindest in Teilen von den Flammen beschädigt wurde. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden sich baubegleitend mit der Freilegung des Fachwerks im Gebäudeinneren im Zuge des Umbaus weitere Forschungsmöglichkeiten für die Bauforschung des LWL-Denkmalfachamts ergeben.

Autor

Carsten Neidig-Hensgens
Bauforschung

carsten.hensgens@lwl.org

Tel: 0251 591-3884

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