Die ehemalige Kirche St. Johannes in Telgte: Vom Abbruchkandidaten zum Staatspreisträger
Denkmal des Monats Juni 2018
Um die Zukunft der Telgter Johannes-Kirche entbrannte 2011 großer Streit. Als aus anfänglichen Kontroversen und Konflikten eine konstruktive Zusammenarbeit erwuchs, eröffneten sich neue Perspektiven für das Gebäude. Am Ende eines langen Prozesses steht schließlich die sehr gelungene Umnutzung der ehemaligen Kirche.
St. Johannes in Telgte, Kreis Warendorf, nach dem Umbau. Ansicht des Haupteingangs. Foto: Feja & Kemper Architekten 2017.
Initiativkreis kämpfte für den Erhalt
48 Jahre – von der Weihe 1964 bis zur Aussegnung 2012 – diente die St. Johannes-Kirche als zentraler Ort der Religionsausübung im Nordosten Telgtes zunächst der ebenfalls 1964 entstandenen St. Johannes-Gemeinde, ab dem Jahr 2006 der neu gegründeten Kirchengemeinde St. Marien, in der drei Gemeinden aus dem Stadtgebiet Telgtes aufgingen. Als Bistum und Kirchengemeinde 2011 den Beschluss fassten, die Kirche zu profanieren und anschließend abzureißen, weckte dies Widerstand in der Gemeinde und führte zur Gründung eines Initiativkreises, der mit verschiedenen Aktionen für den Erhalt der Kirche kämpfte und im Januar 2012 erfolgreich deren vorläufige Unterschutzstellung beantragte. Wenig später stellte die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen den Denkmalwert der Kirche und weiterer Teile des zugehörigen Gemeindezentrums fest.
In Anbetracht des aufgekommenen Konflikts und der mittlerweile erkannten Denkmaleigenschaft nahmen Bistum und Kirchengemeinde Abstand von den Abbruchplanungen. An ihre Stelle traten Überlegungen zur Nachnutzung des leer stehenden Gebäudes.
Lösung für die Nachnutzung
Im Rahmen eines 2013 durchgeführten Wettbewerbs untersuchten fünf Architekturbüros die Möglichkeiten der Unterbringung eines Pfarrheims und von Erweiterungsflächen für den benachbarten Kindergarten in der ehemaligen Kirche, die zudem einer Andachtskapelle und multifunktionalen Flächen Raum bieten sollte. Aus den eingereichten Arbeiten stach der sowohl funktional als auch ästhetisch und denkmalpflegerisch überzeugende Entwurf des Büros Feja + Kemper aus Recklinghausen besonders hervor, für dessen Realisierung die Wettbewerbs-Jury einstimmig votierte.
Der Umbau der Kirche begann im Jahr 2015. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kirchengemeinde schon längst die Initiative ergriffen und war um die Vermittlung des transformierten Gebäudes und um die Schließung der innerhalb der Gemeinde entstandenen Risse bemüht. Als Zeichen des Aufbruchs wurde der Baubeginn gefeiert, im Rahmen von Baustellenführungen das Gespräch mit den zukünftigen Nutzern gesucht und ein Kunstprojekt initiiert.
Nach etwa zweijähriger Bauphase wurden die neu gestalteten Räume am 19. März 2017 eingesegnet und unter großem Interesse der Öffentlichkeit ihrer neuen Bestimmung übergeben. Als Zeichen der Öffnung erhielt jeder Gast einen symbolischen Schlüssel zum „schönsten Gemeindehaus weit und breit“, wie Propst Michael Langenfeld das Gebäude mit Stolz nennt. Es erfreut sich seitdem größter Akzeptanz, wie der stets gefüllte Belegungsplan beweist.
Denkmalverträgliches Konzept
Der Entwurf des Büros Feja & Kemper respektiert das Denkmal in hohem Maße. Die Eingriffe in die Fassade sind minimal und auf das zwingend Erforderliche reduziert, die Anordnung der zusätzlichen Öffnungen ist zurückhaltend und beeinträchtigt den geschlossenen Charakter des Baukörpers kaum. Neu in den Innenraum eingebrachte Elemente sind möglichst gering dimensioniert und vom Originalbestand deutlich unterscheidbar. Durch diese sehr minimalistische Grundkonzeption bleibt der Raumeindruck der Kirche in hohem Maße erfahrbar. Sogar die energetisch problematischen, jedoch gestaltgebenden Bereiche mit Glasbausteinen konnten bestehen bleiben. Auch die Entwicklung eines Konzeptes zur Bebauung freier Flächen des Gemeindezentrums erfolgte unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte.