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Bahnhofsempfangsgebäude von Südwesten, nach Abschluss

Rettung und Umnutzung des ehemaligen Bahnhofsempfangsgebäudes

Denkmal des Monats
Juli 2024

Auf dem Abstellgleis?

Aufgegeben und dem Verfall überlassen – diesen unübersehbaren Eindruck erweckte das an der Bundesstraße 514 gelegene ehemalige Bahnhofsempfangsgebäude in Vlotho noch bis vor wenigen Jahren. Notdürftig durch einen Bauzaun gesichert, stand das seit 1988 denkmalgeschützte Gebäude nach der Privatisierung 1992 leer. Starker Pflanzenbewuchs, zerstörte Fenster und Türen und klaffende Löcher im Dach ließen die geschichtliche Bedeutung und architektonische Qualität des Baudenkmals kaum noch erahnen.

Dabei zählt das Bahnhofsempfangsgebäude in Vlotho zu den besonders eindrucksvollen Geschichtszeugnissen des Eisenbahnbaus in Westfalen. Dieser nahm nach der Deutschen Reichsgründung 1871 deutlich Fahrt auf und verhalf vielen vormals abgelegenen Regionen zu einem Wirtschaftsaufschwung. Im Zuge des Ausbaus im Weserbergland begann die private Hannover-Altenbekener Eisenbahn-Gesellschaft 1872 mit dem Bau der Teilstrecke Elze-Hameln-Löhne. Nach der Einweihung der Verbindung im Jahr 1875 erschlossen sich für die Stadt Vlotho überregionale Verkehrswege, so dass eine Belebung insbesondere der Zigarren- und Tabakindustrie einsetzte.

Preußischer Bahnhof

Als Archetypus der zu dieser Zeit entstandenen preußischen Bahnhofsempfangsgebäude zeigt das Vlothoer Beispiel jenen hohen Gestaltungsanspruch, mit dem die An- und Abreisenden standesgemäß empfangen werden sollten. Nicht nur die Farbigkeit und Materialästhetik des sorgfältig geschichteten Ziegelmauerwerks, auch zahlreiche historistische Details prägen die Fassaden. Auffällig ist zunächst der erhöhte Mittelrisalit, der durch Mittelakroterien (Verzierungen an der Giebelspitze) und Okulusfenster belebt wird. Seine Eckzinnen erwecken einen wehrhaften Eindruck. Die langgestreckten Fassaden werden darüber hinaus durch Lisenen, Sohlbankgesimse und Ziegelformsteine aus Vierpässen und Konsolen gegliedert. Mit geübtem Blick ist an den Baunähten zu erkennen, dass bereits vor dem 1. Weltkrieg an beiden Schmalseiten Erweiterungen vorgenommen wurden.

Detailverliebte Instandsetzung

Nachdem alle Bemühungen der Stadt Vlotho, des Denkmalfachamtes und eines Fördervereins, für die Instandsetzung und Nutzung einen Interessenten zu finden, vergebens schienen und der Abbruch bevorstand, gelang dank des Familienunternehmens „Karlchen’s Backstube GmbH“ 2020 die Rettung des ruinösen Baus. Angesichts des insbesondere im Inneren fortgeschrittenen Verfalls standen der neue Eigentümer und die Denkmalbehörden vor großen Herausforderungen, die in enger Abstimmung bewältigt werden konnten. Die Maßnahmen umfassten u. a. die Ziegelfassaden, die eine schonende Reinigung erfuhren und ihren lebendigen und ansprechenden Rotton zurückerhielten. Feine neue Sprossenfenster nach Vorbild des letzten erhaltenen Originalfensters vervollständigen das Erscheinungsbild.

Der Mittelrisalit

Der Mittelrisalit gewann durch den Nachguss der abgängigen Bekrönungen aus tonrotem Gussmörtel und die Ergänzung der fehlenden Eckzinnen sein ursprüngliches Erscheinungsbild zurück.

Mittelrisalit nachher

Nachher

Mittelrisalit vorher

Vorher

Die Backstube

Auch im Inneren wurde die eindrucksvolle Qualität des Massivbaus durch die Instandsetzung der gemauerten Scheidbögen und Gewölbe im Vestibül des Erdgeschosses und im Kellergeschoss herausgearbeitet. Das Bahnhofsempfangsgebäude setzt seit August 2023 wieder einen starken Akzent im Stadtbild Vlothos und lädt nun zum Besuch der Gastronomie und zum Verweilen bei bestem Kaffee und Kuchen ein.

Autor

Marcus Brokmann
Praktische Denkmalpflege

marcus.brokmann@lwl.org

Tel: 0251 591-4017

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