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Westfassade der Aegidiikirche

Münster, St. Aegidii, ehemalige Kapuzinerkirche

St. Aegidii heißt die Saalkirche im Zentrum von Münster erst seit 200 Jahren. Erbaut wurde sie 1724–29 als Kapuzinerkirche. Seit 1619 bewohnte die Ordensgemeinschaft ein kleines Kloster an der Krummenstiege. Im Rahmen umfangreicher Umbauten und Erweiterungen erhielt Schlaun – auf Wunsch des Stifters Ferdinand von Plettenberg – den Auftrag für eine neue Kirche.

Den Vorschriften des Ordens entsprechend plante er einen weitgehend schmucklosen Bau aus Backstein. Ein Dachreiter auf dem durchgehenden Satteldach ersetzt den Glockenturm. Schauseite ist die südwestliche Fassade aus Baumberger Sandstein. Ihre zurückhaltende Gliederung mit flachem Mittelrisalit erinnert ans Schlauns ersten Bau, die Kapuzinerkirche in Brakel. Im Vergleich zu dieser ist die Klosterkirche in Münster jedoch eleganter ausgeführt. Der geschweifte Giebel wird durch die Arma Christi bekrönt, also eine Darstellung der sogenannten Leidenswerkzeuge Christi, hier Kreuz, Lanze und Essigschwamm. Zwei flammende Herzen an den Seiten wurden 1933 nach Schlauns ursprünglicher Planung ergänzt.

Portal und Innenraum

Wichtigstes Schmuckelement ist das reich gestaltete Ädikulaportal. Eine Ädikula, lateinisch für „Tempelchen“, ist ein architektonisches Element nach antikem Vorbild. In der Regel besteht sie aus zwei Pfeilern und einem Giebel, die eine Nische umrahmen. Das Portal, das Schlaun für die Kapuzinerkirche in Münster entwarf, trägt das Wappen des Stifters und die Inschrift „Ipsi Gloria et Imperium“ (Ihm sei Ehre und Herrschaft) auf einem gesprengten Giebel. Zwei stilisierte Engel schmücken die Pilaster links und rechts des Portals.

Der Innenraum ist ein schlichter Saal mit vier Jochen. Gegliedert wird er durch Wandpfeiler, breite Gurtbögen und ein Kreuzgratgewölbe. Von der ursprünglichen barocken Ausstattung der Kirche ist nur noch die reich geschnitzte Kanzel aus Eichenholz erhalten. 1811 war das Kapuzinerkloster unter Napoleon aufgelöst worden; die gesamte Barockausstattung der Kirche wurde versteigert. Erst 1823, als die Pfarrei St. Aegidii die Kirche als Ersatz für ihr abgetragenes Gotteshaus erhielt, schenkte der Käufer der Kanzel, Clemens August von Droste-Vischering, sie der Gemeinde zurück.

Die Kanzel, wahrscheinlich ein Entwurf von Schlaun, zeigt am Fuß zwei lebensgroße Figuren in einer Grotte: Christus überreicht dem heiligen Franziskus die Ordensregel. Über dem von Astwerk und Eichenlaub umrankten Korb befindet sich ein baldachinartiger Schalldeckel, der von Engeln getragen wird.

Heute wird der Innenraum der Kirche auch durch die Wand- und Deckenmalerei im Stil der Nazarener bestimmt, die um 1860 nach Entwürfen von Eduard von Steinle entstand. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kirche relativ unbeschadet und ist heute als ältester der zahlreichen Schlaun-Bauten in Münster erhalten.

Hintergrund

Die vormalige Aegidiikirche stand auf dem heutigen Grundstück des Aegidiimarktes und mußte in preußischer Zeit einem ersten innerstädtischen Kasernenbau weichen. Dessen Reste wurden wiederum nach 1945 abgetragen und erst in den 1970er-Jahren neu bebaut. Am rückwärtigen Aa-Ufer des Aegidiimarktes erinnert heute noch eine Stele an die historische St. Aegidiikirche samt Friedhof. Der Umzug der Aegidii-Gemeinde zur Kapuzinerkirche erfolgte 1823 - rund 100 Jahre nachdem Schlaun sie als Kapuzinerkirche entwarf.

Katharina Stockmann

Adresse

Aegidiikirchplatz 4
48143 Münster

Besuch

Eine Außenbesichtigung ist jederzeit möglich. Der Innenraum ist zu den Gottesdienstzeiten geöffnet: www.sanktlamberti.de