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Denkmalschutzgesetz NRW

Denkmalschutz und Denkmalpflege sind in Deutschland Sache der Länder. Nordrhein-Westfalen hat seit 1980 ein Denkmalschutzgesetz, das die Grundlage des Denkmalrechts bildet. Es regelt den Umgang mit Bau-, Garten- und beweglichen Denkmälern, Denkmalbereichen und Bodendenkmälern. Darüber hinaus bestimmt es die Aufgaben und Zuständigkeiten der Denkmalbehörden in NRW.

Am 6. April 2022 verabschiedete das Landesparlament ein neues nordrhein-westfälisches Denkmalschutzgesetz, das am 1. Juni 2022 in Kraft trat. Eine Evaluation des neuen Gesetzes war laut Koalitionsvertrag der amtierenden Landesregierung für 2025 vorgesehen. Stattdessen sind nun aber aktuell Änderungen in Vorbereitung.

Denkmalschutzgesetz NRW (externe Website)

Novellierung 2025

Eine Evaluation des neuen Gesetzes war laut Koalitionsvertrag der amtierenden Landesregierung für 2025 vorgesehen. Stattdessen sind nun aber aktuell Änderungen in Vorbereitung. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Digitalisierung hat den Landtag hierüber informiert und eine Verbändeanhörung zu einem Artikelgesetz durchgeführt, das versteckt im Zusammenhang mit einer Novelle der Landesbauordnung auch gravierende Änderungen am Denkmalschutzgesetz vorsieht. Mit der Novellierung möchte das Ministerium laut Begründung des Gesetzesentwurfs den neuen sicherheitspolitischen Vorgaben der Bundesregierung gerecht werden (Rahmenrichtlinien Gesamtverteidigung (RRGV)) und Verfahren erleichtern, die Anlagen der Landesverteidigung und des Katastrophenschutzes betreffen.

Folgende Änderungen des Denkmalschutzgesetzes mit größerer Relevanz sind geplant:

  1. Anlagen, die der Verteidigung im Kriegsfall, dem Katastrophenschutz oder der Abwehr von Gefährdung für die Öffentlichkeit dienen, werden von den Vorgaben des Gesetzes ausgenommen. Eine genaue Definition der gemeinten Objekte unterbleibt ebenso wie eine genauere Erläuterung der Verfahrensabläufe.
     
  2. Das Ministerium kann per Verordnung Zuständigkeiten neu regeln oder an sich ziehen. Dem werden inhaltlich keine Grenzen gesetzt.
     
  3. Die Fachämter verlieren ihr Antragsrecht auf Unterschutzstellung für alle Liegenschaften, die dem Land oder dem Bund gehören.

Kritikpunkte

Folgende geplante Änderungen an Landesbauordnung und Denkmalschutzgesetz werden von den Landschaftsverbänden besonders kritisch gesehen:

Strengere Bauvorgaben

Die Vorgaben in § 69 der Landesbauordnung NRW (LBO) werden wieder strenger. Die bislang möglichen Abweichungen von den Vorgaben der LBO im Bereich der Denkmalpflege werden gestrichen. Damit ist eine kostengünstige, verwaltungseffiziente und zügige Umsetzung von Maßnahmen an den Denkmälern erschwert, obwohl die Gesetzesänderung von 2022 eine Entbürokratisierung und Verfahrensbeschleunigung zum Ziel hatte

Bereichsausnahme

Die RRGV des Bundes sind als Anlass für die Gesetzesänderung ganz offensichtlich lediglich vorgeschoben. Denn dort wird sogar ausdrücklich der Schutz von Kulturgütern als Ziel benannt. Zudem sieht das bestehende Denkmalschutzgesetz bereits die bevorzugte Berücksichtigung höherstehender öffentlicher Belange vor. Die geplante "Bereichsausnahme" ist also nicht notwendig. Und sie verstößt zudem gegen die Verpflichtungen aus der Haager Konvention.

Verordnungsermächtigung

Die Ermächtigung zu einer abweichenden Regelung sämtlicher Zuständigkeiten nach dem vom Gesetzgeber legitimierten Gesetz ist verfassungsrechtlich bedenklich. Zudem greift sie vehement in die verfassungsmäßig verbrieften Rechte der Kommunen ein, unter deren Schutz die Denkmäler des Bundeslandes stehen.

Teilentzug des Antragsrechts

Warum nur das Antragsrecht für Liegenschaften des Landes oder Bundes entzogen werden soll, bleibt vollständig unbegründet. Außerdem wird – wie schon im Rahmen der Neufassung des Denkmalschutzgesetzes im Jahre 2022 – erneut vehement in die Rechte der Landschaftsverbände nach der Landesverfassung und der Landschaftsverbandsordnung eingegriffen.

Die Denkmalfachämter der Landschaftsverbände sehen die Entwicklung mit großer Sorge, denn der Schutz von Bau- und Bodendenkmälern wäre nach der Gesetzesänderung nicht mehr im notwendigen Maße möglich.

Stellungnahmen weiterer Verbände

Wer an der Verbändeanhörung beteiligt wurde, bleibt intransparent. Unklar ist zudem, wie die weiteren Abläufe geplant sind. Bekannt ist lediglich, dass die kommunalen Spitzenverbände eingebunden wurden. Bundesweit aktive Institutionen wie das DNK, die VDL, der VLA, der DVA, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD), ICOMOS Deutschland aber auch der WHB oder der Rheinische Verein für Denkmalpflege wurden nachweislich nicht einbezogen.

Die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zu den Änderungen am Denkmalschutzgesetz fällt kritisch aus und ist inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit der Stellungnahme der Landschaftsverbände. Dem Entwurf wird dort vorgeworfen "die Zerstörung von Kulturgut durch die Herausnahme aus dem Denkmalschutz quasi proaktiv zu ermöglichen". Es wird zudem eine Einschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts beklagt. Auch die Ungleichbehandlung der Eigentümergruppen wird kritisiert. Zudem heißt es: "Es wird bewusst in Kauf genommen oder ist sogar das versteckte Ziel der Neuregelung, dass Gebäude mit Denkmalwert von Land und Bund nicht eingetragen werden, und Land und Bund somit von den mit dem Denkmalschutz verbundenen Pflichten entbunden sind."

Auch der WHB, die VDL, der VLA, die DGUF, die DSD und ICOMOS haben (ungebeten) Stellungnahmen abgegeben, die durchgängig kritisch ausfielen. Dabei wurde beklagt, dass es geradezu grotesk anmute, dass man sich in der Ukraine gerade im Kriegsfall um den Erhalt von Kulturdenkmälern bemühe, während dieser Schutz in Deutschland schon in Friedenszeiten entfallen solle.

Die benannten, zumeist ehrenamtlich strukturierten Institutionen haben sich (erneut) zu einem Denkmalschutzbündnis zusammengeschlossen und wollen weiter aktiv bleiben.

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Jurist

Dr. Sebastian Heimann

sebastian.heimann@lwl.org

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